Wir leben in einer Zeit der historischen Umbrüche. Seit 2019 sind wir mit einer Weltwirtschaftskrise konfrontiert. Diese hat sich durch die Coronamaßnahmen und insbesondere den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen verschärft. In einer solchen Krise hätte die außerparlamentarische und parlamentarische Linke, Sozialisten und Demokraten eigentlich die Möglichkeit große Teile der Bevölkerung mit der Teilnahme an und der Organisierung von entschiedenem Protest in Verknüpfung mit einer linken Perspektive zu erreichen und zu binden.
Dass das momentan in der Bundesrepublik nicht funktioniert, hat mehrere Gründe. Einer ist sicher, dass ein Teil der außerparlamentarischen und der parlamentarischen Linken sich aus unterschiedlichen Gründen dafür entschieden hat, diejenigen Linken als rechtsoffen oder Querfront zu bezeichnen, die versuchen auch bisher nicht politisierte Menschen oder solche die an den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen teilnahmen, aber keine Rechten sind, zu erreichen.
Aufweichung der Friedensposition
Dass ein Teil der Hamburger Linksfraktion und deren Umfeld das Hamburger Forum oder die Plattform Brot und Frieden pauschal und ohne Willen zu kommunizieren als rechtsoffen bezeichnet, hat klare Gründe. So fordert der regierungsorientierte Flügel der Partei, zu dem in Hamburg der überwiegende Teil der Fraktion, die neuen Landessprecher_innen, sowie einige ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete und ihr Umfeld gehören, dass die Linke ihre Friedensposition aufweichen und über Waffenlieferungen an die Ukraine nachdenken soll.
Parteigenoss_innen, die eine klare Friedensposition und eine Position gegen Sanktionen beziehen werden von diesem Flügel der Partei diffamiert – egal ob es bundesweit Sarah Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Andrej Hunko oder in Hamburg Zaklin Nastic, Mehmet Yildiz, Martin Dolzer oder Norman Paech sind. Der Grund dafür ist einfach: Diese Akteur_innen wollen offensichtlich die Friedensposition der Partei entsorgen, um ihre eigenen Karrieren zu befördern und die Partei DIE LINKE für vermeintlich mögliche Regierungskoalitionen zu profilieren. Bereits auf dem Landesparteitag im September haben sich Akteur_innen aus diesem Kreis für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Das bedeutet faktisch die Verlängerung des Krieges und ist eine ahistorische Herangehensweise auf dem Rücken der Bevölkerungen in der Ukraine, im Donbass und weltweit. Um die Friedensbewegung zu diskreditieren, bemühen Teile der Parteiführung und der Fraktion in Hamburg zudem seit Monaten die genannten unhaltbaren Querfrontvorwürfe und arbeiten mit Methoden der personalisierten Denunziation. Anstatt den Dialog zu suchen arbeitet dieser Flügel der Partei regelmäßig mit der bürgerlichen Presse zusammen, um die eigene Position jenseits des Parteiprogramms zu formulieren und durchzusetzen. In Hamburg werden in diesem Rahmen regelmäßig Kontakte des Pressereferenten der Linksfraktion in die Mopo genutzt – da der Pressereferent zuvor dort gearbeitet hat.
Aber auch im außerparlamentarischen Rahmen beteiligen sich leider einige Wenige aus dem Hamburger Bündnis gegen Rechts, sowie einige wenige Antideutsche und einige wenige Menschen aus der Antifa und antirassistischen Zusammenhängen sowie einige wenige Kolleg_innen aus den Gewerkschaften an einer derart undifferenzierten Herangehensweise. In Artikeln auf Twitter, facebook und in offenen Briefen wird Mehmet Yildiz, Martin Dolzer und dem Hamburger Forum haltlos die Bildung einer Querfront vorgeworfen.
Mehmet Yildiz schlug dem Hamburger Bündnis gegen Rechts bereits vor den Sommerferien 2022 ein Gespräch vor. Bisher wird aber jeglicher Dialog geblockt. Wir fordern erneut dazu auf ins Gespräch zu kommen. Es ist notwendig, dass die außerparlamentarische Linke gerade in einer solchen Krise nicht Mechanismen wie Teile und Herrsche und Anschuldigungen und Ausgrenzung ohne Dialog reproduziert.
Selbstverständlich ist es wichtig sich klar gegen überzeugte Rechte abzugrenzen, die sich in der AfD, als Reichsbürger oder in faschistischen Organisationen organisieren. Pauschalverurteilungen gegen alle diejenigen, die an Coronademonstrationen teilgenommen haben oder politisch noch keine Klarheit gewonnen haben, helfen da aber nicht weiter. Wenn es innerhalb der Linken 1. unterschiedliche Meinungen in Bezug auf die Notwendigkeit einer breiten Mobilisierung und 2. unterschiedliche Meinungen darüber gibt wen man mobilisieren sollte, wäre ein respektvoller Dialog ein geeignetes und solidarisches Mittel. Nur auf eine solche Weise können wir der Situation gerecht werden.
Denunziation hilft den Profiteur_innen des Kriegs
Öffentliche Denunziation und Diffamierung, ohne vorher mit Betroffenen gesprochen zu haben, spaltet dagegen und arbeitet denjenigen in die Hände, die Krieg wollen und/oder an ihm verdienen. Diese undifferenzierte Praxis wird jedoch von Teilen des regierungsorientierten Flügels der Linken und ihren Verbündeten sowie von Akteur_innen genutzt, die Waffenlieferungen an die Ukraine oder das Kämpfen von Linken an der Seite von der ukrainischen Armee und somit auch an der Seite von Faschisten des Asowbattallions und weiterer Ultranationalisten befürworten, aber nicht inhaltlich darüber diskutieren wollen. Dieses Handeln und Diffamierung einer konsequenten Friedensposition tragen dazu bei, dass Angst erzeugt wird, sich offen gegen den Krieg zu stellen und/oder die eigene Meinung frei zu äußern. Auch darüber sollte respektvoll und offen gesprochen werden.
Nein zu einer neuen systemkonformen Friedensbewegung
Die genannten Akteure versuchen auch eine systemkonforme „neue“ Friedensbewegung aufzubauen. Zuletzt scheiterte dieser Versuch in Hamburg Mitte November, als zu einer Demo, zu der u.a. Teile der Linkspartei aufriefen, lediglich rund 50 Menschen kamen. Diese Akteure versuchen die sozialen Proteste so zu „betreuen“, zu kanalisieren und zu instrumentalisieren, dass sie der außenpolitischen Feinderklärung der Regierung in Richtung Russland und China nicht in die Quere kommt. Diese Akteur_innen arbeiten dann auch mit Fußtruppen, die versuchen, Linke bei Demos abzuräumen, die mit den NATO kritischen Losungen der Friedensbewegung zu Kundgebungen erscheinen, wie auf der „Solidarisch aus der Krise“ Demo im Oktober. Zu dieser riefen zwar viele Organisationen auf, deren Großteil jedoch eigentlich gar nicht an der Demo beteiligt war. Es ist unsere Erachtens wichtig, dass wir uns gegen den rechten Flügel der Linkspartei samt Umfeld und SPD-nahe Gewerkschaftsfunktionäre wehren, die an dem Projekt arbeiten, unter falscher Flagge und gegen die Friedensbewegung und radikalere Proteste „linke“ Kundgebungen zu organisieren, die jeden spontan sich formierenden Protest von unten auffangen und zur Bedeutungslosigkeit abbiegen sollen.
Keine Waffenlieferungen – Nein zur NATO
Unserer Meinung nach ist notwendig den Waffenlieferungen an die Ukraine ein klares Nein entgegenzusetzen und stattdessen von der Bundesregierung zu fordern eine sofortige diplomatische Offensive zu beginnen. Die pauschale Glorifizierung der Ukraine – auch der Regierung – bei gleichzeitiger Dämonisierung Russlands arbeitet mit vereinfachenden und gefährlichen Freund und Feindschemata.
Frieden entsteht dagegen durch Analyse der historischen Entwicklungen, die in einen Krieg führen und der Anerkennung der berechtigten Interessen aller beteiligten Konfliktparteien. Momentan strebt federführend die US-Regierung neben dem Konflikt in der Ukraine auch eine Zuspitzung der Konfrontation mit China an. Und die EU Staaten, federführend die Bundesregierung ziehen mit.
Wir sollten in Bezug auf den historischen Kontext des Ukrainekonflikts neben der NATO-Osterweiterung und der Nichteinhaltung der Minskabkommen durch die Regierungen in Kiew nicht vergessen: die Bevölkerungen von Donezk und Lugansk erklärten ihre Selbstverwaltungen u.a. als Reaktion auf ein faschistisches Massaker gegen linke Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa und die systematische Verfolgung linker Menschen und Gewerkschafter nach der Machtübernahme rechter Kräfte nach dem Maidan. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass in der Ukraine führende Politiker_innen den Faschisten Bandera verehren und in der ukrainischen Armee Regimenter wie Asow integriert sind und die Leibwächter des ukrainischen Präsidenten zeitweise mit Aufnähern der SS Totenkopf Division und Hitlers Leibgarde rumlaufen.
Unsere Solidarität gilt der Mehrheitsbevölkerung hier, in der Ukraine, im Donbass, in Russland und weltweit. Von Wirtschaftskrise, Krieg und Inflation sind die lohnabhängig Beschäftigten und die Unterdrückten am stärksten betroffen. Das sollten wir nicht vergessen – und gerade deshalb sollten wir miteinander sprechen.
Wir laden das Hamburger Bündnis gegen Rechts und interessierte Menschen aus der Antifa und antirassistischen Zusammenhängen sowie den Gewerkschaften erneut zum Dialog ein.
Mehmet Yildiz, Sigrid Töpfer, Martin Dolzer