Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, mit so genannten niedrigeren Hürden für die Einbürgerung, von der Ampel-Koalition im endgültigen Entwurf vorgestellt, bedeutet hauptsächlich eine Erleichterung für gut ausgebildete, ohnehin privilegierte Menschen aus anderen Ländern. Menschen, die hier seit Jahren und zum Teil Jahrzehnten leben und/oder arbeiten, werden weiterhin nicht eingebürgert, wenn sie nicht bestimmten Kriterien der kapitalistischen Verwertbarkeit entsprechen.
Dem Entwurf zufolge sollen eingewanderte Menschen nun nach fünf Jahren eingebürgert werden können, anstatt wie bisher nach acht Jahren. Besonders gut integrierte Menschen sollen schon nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagt dazu, dass das für Menschen gelte, „die sehr gut deutsch sprechen, im Job herausragende Leistungen erzielen oder sich ehrenamtlich engagieren“. Eine grundlegende Voraussetzung sei, dass die Antragsteller selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können und keine Transferleistungen beziehen. Auch die „doppelte Staatsangehörigkeit“ soll mit dem Gesetz ermöglicht werden.
Auf diese Weise sollen „hochqualifizierte Fachkräfte“ aus anderen Ländern angelockt werden. Jahrhundertelang hat Deutschland Rohstoffe aus dem globalen Süden und dem Mittleren Osten ausgebeutet, jetzt sollen die Fachkräfte folgen, mit erneut verheerenden Folgen für die dortigen Gesellschaften.
Die gesamte Logik hinter dem Entwurf ist arrogant und menschenverachtend. Besonders unmenschlich ist, dass diejenigen Menschen, die hier im Moment illegalisiert leben, weil sie kein Aufenthaltsrecht, kein Asyl oder keine Arbeitserlaubnis bekommen, zynischer Weise nach wie vor entweder in Unterkünften ohne Perspektive vor sich hin vegetieren oder schwarz auf dem Bau oder in der Gastronomie arbeiten können sollen, ohne dass sie eine Perspektive auf ein gesichertes Leben erhalten. Auf diese Weise können die Löhne in diesen Branchen niedrig gehalten oder weiter gedrückt werden.
Auch Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende und ältere Menschen können die Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt oder andere von Faeser aufgestellte Kriterien meist nicht erfüllen. Wer zum Beispiel soviel arbeitet, dass er kaum Chancen hat gut Deutsch zu lernen, bleibt auch ausgeschlossen. Zusätzlich war der Bezug von Transferleistungen bei Krankheit oder in der Ausbildung bisher kein Hindernis für eine Einbürgerung, soll es nun aber werden.
Zur schnelleren Umsetzung der Verwaltung der gewollten Einwanderung von „Hochqualifizierten“ wurden und werden jetzt von der Bundesregierung gefördert Start-ups gegründet, die verwertbare Migrant_innen im Ausland aussuchen und ihnen gegen eine Gebühr von bis zu 10.000 Euro bei Sprachkursen, Anträgen, Behördenformalien bis hin zum Visum und Arbeitsvertrag in der Bundesrepublik helfen – und gleichzeitig für die Unternehmen in Deutschland die Arbeitskräftevermittlung anbieten.
Notwendig wäre eine ganz andere Reform: Jeder Mensch der hier lebt, sollte ein Recht auf Aufenthalt, Ausbildung, doppelte Staatsbürgerschaft und Arbeit bekommen und die Möglichkeit in Würde zu leben. Auf diese Weise könnte der Arbeitskräftemangel und Fachkräftemangel behoben werden, ohne anderen Staaten zu schaden und ohne die Migrant_innen in direkt verwertbare und weitgehend rechtlose zu spalten.
Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von Nancy Faeser trägt die Züge kapitalistischer Ausbeutung und der Entwürdigung von Menschen auf der Flucht und in Migration. Wer Gesetze mit einem solchen Regelungsinhalt macht, muss sich nicht wundern, dass zunehmend eine Stimmung herrscht, in der es auch kein Tabu ist die rechten Parteien zu wählen.
Zum Thema dieser Gesetzreform und Doppelter Staatsbürgerschaft findet am
Dienstag, den 12.09. ab eine Informationsveranstaltung im Büro von Mehmet Yildiz
in der Billstedter Hauptstrasse 78 in 22117 ab 17:30 Uhr statt.
Referentin: Sigrid Töpfer und Mehmet Yildiz (MdHB)