„Die großen Demonstrationen der islamistischen Anhänger eines Kalifats sind bedenklich, aber nicht vom Himmel gefallen. Sie sind vielmehr auch eine Konsequenz von Kolonialismus, Krieg und verfehlter Außen-, Innen und Sozailpolitik. Die letzten Jahrzehnte haben die Verantwortlichen in der Bundesregierung, in Landesregierungen und in Behörden in diesem Rahmen eine konstruktive und unvoreingenommene Zusammenarbeit mit vielen migrantischen Organisation aus dem fortschrittlichen, säkularen und gemäßigt religiösem Bereich auf Augenhöhe verweigert, oftmals die Organisationen sogar ausgebremst, im schlimmsten Fall kriminalisiert. Auch der institutionelle Rassismus ist längst nicht überwunden und wird nur seltenst selbstkritisch hinterfragt. Migrant_innen haben nur selten gleiche Chancen wie Menschen deutscher Herkunft. Zum Beispiel bei der Suche nach Arbeit oder Wohnung sowie in Bezug auf Bildung. Das in einer solchen Atmosphäre und vor dem Hintergrund der Verunsicherung der Menschen durch Wirtschaftskrise und mehrere Kriege weltweit, radikalislamische und rechte Kräfte mit ihren vermeintlich einfachen Lösungen Zulauf erhalten und versuchen die Menschen zu instrumentalisieren, ist kein Wunder, sondern auch ein Ergebnis von verfehlter Sozialpolitik. Die jahrzehntelange Kürzung und Streichung von Jugendprojekten und Akteuren sozialer Arbeit zeigt jetzt ihre verheerenden Folgen. Anstatt in Krieg und Profite muss wieder in Bildung und Soziales investiert werden. Die gesamte Logik der Politik darf nicht hauptsächlich an Freund- und Feindbildern und wirtschaftlicher Verwertung orientiert sein. Die Menschen und ihr gleichberechtigtes Zusammenleben müssen im Zentrum des politischen Handelns stehen “, erklärt der fraktionslose Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft Mehmet Yildiz, zur Debatte in der aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema der Demonstrationen von Islam Interaktiv.
„Insgesamt streben die rechtspopulistischen Anmelder der Debatte eine weitere Spaltung der Gesellschaft an. Rechtlich gibt es schon jetzt genügend Regelungen, um die radikalislamischen Organisationen zu bremsen. Jetzt eine Debatte um die Verschärfung von Gesetzen zu führen, führt in die falsche Richtung und zu weiterer Kriminalisierung linker Kräfte. Es ist ein völlig verfehlter Ansatz, zum Beispiel Demonstrationen für Frieden in Palästina in Hamburg zu verbieten und in Berlin eine Konferenz zum Thema Palästina, die von säkularen Kräften veranstaltet wurde, in einem geschlossenen Raum von der Polizei stürmen und beenden zu lassen – und in diesem Zusammenhang mehreren humanistisch orientierten Politiker_innen und Wissenschaftler_innen die Einreise zu verbieten – und dann zu behaupten, es gäbe keine Mittel eine Demonstration mit der Forderung nach einem Kalifat zu unterbinden“, kritisiert Yildiz. Auf diese Weise würde lediglich signalisiert, dass linke und säkulare Kräfte bekämpft werden, wenn sie nicht auf der Linie Bundesregierung und der Landesregierungen agieren, während die wirklich gefährlichen rechten und radikalislamischen Kräfte eigentlich letztendlich geduldet werden.
„Mit Beginn der Coronamaßnahmen wurde die Meinungsfreiheit derart eingeschränkt, dass Kritiker_innen pauschal als Rechte denunziert wurden. Dieses Vorgehen wurde dann im Ukrainekonflikt zugespitzt – es wurde versucht jede/n, der sich für Frieden und gegen Waffenlieferungen aussprach, mundtod zu machen und gesellschaftlich ächten. Das hat sich in Bezug auf den Krieg in Palästina noch einmal gesteigert. Der Meinungshorizont wird insgesamt seitens der Bundes- und Landesregierungen sowie Teilen der Presse immer weiter verengt“, erklärt der Abgeordnete, „die Verantwortlichen in den Regierungen haben die Verantwortung langfristig zu denken, säkulare und gemäßigt religiöse migrantische Organisationen durch Kontakte auf Augenhöhe zu stärken, den institutionellen Rassismus zu hinterfragen und zu überwinden, den Meinungshorizont wieder auch für kontroverse Meinungen zu öffnen, die aggressive Außenpolitik zu beenden und rechtsradikale und radikalislamische Gruppen im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten auszubremsen und zu verbieten. Auch die Medien haben eine Verantwortung sachlich die Meinungsfreiheit zu schützen, anstatt durch die Zuspitzung von einfachem schwarz-weiß Denken und Berichterstattung in Freund- und Feindbildern die gesellschaftliche Spaltung mit zu befördern. Außerdem muss endlich wieder in Soziale Projekte, in Bildung und Jugendarbeit, anstatt immer mehr in Aufrüstung und Kriege investiert werden. Nur so kann der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und das respektvolle und friedliche Zusammenleben aller Menschen gefördert werden.“