Die Fraktion DIE LINKE hatte am 18. Juni zu einer Fachveranstaltung zur Qualität der Erzieher_innen-Ausbildung geladen und rund 50 Gäste waren bei sehr warmem Sommerwetter ins SCHORSCH in St. Georg gekommen, um mit den verschiedenen Beteiligten auf dem Podium zu diskutieren.
Dort waren vertreten: Lehrkräfte und Schülervertretung der Fachschulen, jeweils ein Vertreter der Sozialbehörde (BASFI) und des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HiBB) und für die Kita-Träger der Paritätische Hamburg. Gemeinsam diskutierten sie mit dem Fachsprecher der Fraktion DIE LINKE Mehmet Yildiz. Es moderierte der ehemalige Landeselternausschussvorstand Björn Staschen, der jetzt beim NDR arbeitet und sehr kenntnisreich durch den Abend führte.
Zu Beginn erfolgte eine Bestandsaufnahme von Dr. Dirk Bange von der Sozialbehörde. Danach arbeiten 15.680 pädagogische Fachkräfte momentan in Hamburger Kitas. Laut Dr. Bange werden Erzieher_innen in Hamburg knapp. Sie werden nicht nur in den Kitas gebraucht, sondern auch in der Kinder- und Jugendhilfe, bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit, in der Familienförderung oder im Rahmen des schulischen Ganztags. Zusätzlich werden seiner Meinung nach jährlich bis zu 600 pädagogische Fachkräfte gebraucht. Bisher hat Hamburg seine Fachkräfte auch aus dem Hamburger Umland geholt und die zusätzlichen Bedarfe so abgedeckt. Ob das so bleiben kann, angesichts der hohen Mieten, der Knappheit von Wohnungen und der niedrigen Ausbildungsförderung, ist nicht sicher. Über 750 Fachkräfte verlassen aus unterschiedlichen Gründen pro Jahr das Berufsfeld. Sie müssen zusätzlich zu den neu entstehenden Bedarfen an Fachkräften in einer wachsenden Stadt wie Hamburg ersetzt werden. Die schon vereinbarten verbesserten Personalschlüssel führen auch zu einem zusätzlichen Bedarf an Erzieher_innen. Die Fraktion DIE LINKE hat auf diese Situation schon in der letzten Wahlperiode hingewiesen. Da an den zusätzlichen Bedarfen nicht geändert werden kann, ist eine weitere Aufwertung des Berufsfeldes in Form verbesserter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen aus Sicht von Mehmet Yildiz unerlässlich, um die Quote von ausscheidenden Fachkräften zu senken. Hierzu zählt auch das immer frühere Ausscheiden aus dem Beruf mit unter 60 Jahren. Mehmet Yildiz erklärte, dass vor diesem Hintergrund das Halten von Fachkräften von besonderer Bedeutung sei, denn an steigenden Zahlen von Kindern und Jugendlichen in einer wachsenden Stadt wie Hamburg und den damit steigenden Bedarfen in der frühkindlichen Bildung und anderswo kann wenig geändert werden.
Ein Vorschlag des Senates, zusätzliche Fachkräfte bereitzustellen, war und ist die Ausweitung der der Zugangsbedingungen zu den Fachschulen für Sozialpädagogik. „Hamburg hat hier Zugänge auch für Hauptschüler_innen geschaffen,“ erklärte Reinhard Damm vom Hamburger Institut für berufliche Bildung (HIBB). Zugänge zu Bildung zu erweitern, dem stimmten nicht nur die Podiums-Teilnehmer_innen zu, sondern auch die Menschen im Publikum, die sich zu Wort meldeten. Aber die beiden GEW-Vertreterinnen Marlies Tatje und Andrea Weisz wiesen eindringlich darauf hin, dass die Ausbildungsbedingungen dann auch entsprechend gestaltet werden müssen, wenn junge Hauptschüler_innen direkt von der Schule in die Ausbildung gehen. Die Schüler_innen brauchen viel mehr Unterstützung. Weil das bis jetzt nicht der Fall sei, verlassen über 30% die Ausbildung nach dem Probehalbjahr. Mehr Lehrkräfte und kleinere Klassen müssen her, um diese Quote zu senken und Lehr- und Lernbedingungen zu schaffen, die die Lehrkräfte in die Lage versetzen, die Fachschüler_innen gut ausbilden zu können.
Ganz still wurde es im Saal allerdings, als die Schülervertreterin Wibke Wunderlich sprach und die Bedingungen an den Fachschulen kritisierte. Rund 20 000 € Schulden stehen oft am Ende der Ausbildung, die Mehrheit der Fachschüler_innen geht nebenbei arbeiten, wenn die Eltern sie nicht ausreichend unterstützen können. Das liegt an schlechten Bafög-Regelungen. Ihr Vorschlag: Ein Ausbildungsgehalt! Das fand großen Anklang. Auch die Behördenvertreter wollten über verbesserte Regelungen nachdenken. Ansonsten ist ein Erzieher_innennotstand sehr realistisch und der Effekt der Steigerung der Ausbildungskapazitäten verpufft.
In der letzten Runde ging es um die Verbesserung der praktischen Ausbildung in den Kita-Einrichtungen vor Ort. Es wurde kritisiert, dass viele Einrichtungen die Fachschüler_innen nur ungenügend anleiteten. Martin Peters vom Paritätischen Hamburg kritisierte wie auch andere Beschäftigte von anderen Kita-Trägern, dass es dafür eigentlich keine Mittel von der Stadt gebe, denn die Anleitung von Praktikanten der Fachschulen und Berufsfachschulen müssen aus den Zeiten für die Betreuung der Kinder genommen werden. Da arbeite dann schnell mal eine Fachkraft alleine in der Kindergruppe. Zeiten für „mittelbare Pädagogik“ wie Elterngespräche, Vor- und Nachbereitungen des Gruppengeschehens, Dokumentation und Beobachtung – all das müsse aus der direkten Betreuung der Kinder abgezogen werden. Wenn dann Praktikanten schlecht auf die Situation in den Kita-Einrichtungen vorbereitet sind, werden sie zu einer weiteren Belastung für die Fachkräfte vor Ort.
Am Ende machte Martin Peters vier Vorschläge für die weitere Debatte:
– Konzentration der Pädagog_innen auf pädagogische Kernaufgaben. Zeiten für Putzen, Einkaufen, Reparieren, etc. sind notwendig, fehlen aber in der konkreten Arbeit mit bzw. für Kinder. Von so einer Konzentration profitieren Kinder und Fachkräfte!
– Multiprofessionelles Arbeiten bereichert die Arbeit in der Kita. Personen aus anderen Professionen und Disziplinen sollen Pädagog_innen dabei nicht ersetzen sondern vielmehr klug ergänzen.
– Kitas müssen zu qualifizierten Ausbildungsorten werden. Dies setzt zwingend Ressourcen für die Vor- und Nachbereitung und die Praxisanleitung voraus.
– Akademisierung muss endlich mit Leben erfüllt werden. Dies gelingt nur, wenn wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte attraktive Anstellungsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten – über die Leitungstätigkeit hinaus – vorfinden.
Abschließend erklärte Mehmet Yildiz, dass sich der Senat auch bei der Finanzierung von Stunden für die mittelbarer Pädagogik wie der Anleitung von Praktikanten bewegen muss, wenn er Fachkräfteknappheit vermeiden will.