Die Fußball-EM 2024 in Hamburg: Viele Fragen, wenig Antworten
Von Mehmet Yildiz und Yann Chaudesaigues
Der Hamburger Senat hat aus der von der Bevo?lkerung abgelehnten Olympiabewerbung immer noch nichts gelernt. Sport-Großevents wie Olympia oder die Teilausrichtung der EM 2024 kosten Milliarden von Euro, bringen aber weder den Menschen noch den Sta?dten etwas. Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Austragung von EM-Spielen in Hamburg an sich. Uns geht es um mehr Transparenz fu?r die Hamburger_innen.
Die Vertra?ge der UEFA und die Host-City-Vertra?ge sind fu?r ihre Einseitigkeit bekannt. Deshalb setzen wir uns dafu?r ein, dass der abgeschlossene Bewerbungsprozess transparent gemacht wird und die Vertra?ge so gea?ndert werden, dass auch die breite Masse der Hamburger_innen davon profitiert, dass nicht die Funktiona?r_innen und Sponsor_innen von UEFA & Co. sich die Taschen vollstopfen ko?nnen.
Die UEFA ist seit Jahrzehnten mit korrupten Funktiona?ren durchsetzt. Nach Michel Platinis Wahl zum UEFA-Pra?sidenten 2007 sollte „alles besser werden“, getan hat sich u?berhaupt nichts. Man kann getrost sagen, dass die UEFA ebenso korrupt ist wie das IOC. Auch die vielen offenen Fragen rund um das „Sommerma?rchen“ 2006 und die eventuellen Zahlungen an Franz Beckenbauer sind bis heute nicht aufgekla?rt.
Ein weiterer Punkt sind die zu erwartenden Kosten bis 2024, die noch gar nicht serio?s beziffert werden ko?nnen. Die nun angegeben Kosten (sofern sie u?berhaupt vero?ffentlicht werden), werden bis 2024 durch die Inflation gestiegen sein.
Milliardenkosten fu?r die Ausrichter, Gewinne fu?r UEFA und Sponsoren
Die EM in Polen und der Ukraine zeigt, wie teuer es ungefa?hr werden ko?nnte: Die Gesamtkosten dort wurden mit rund zwo?lf Milliarden Euro angegeben. Jedoch ist dies nur die o?ffentliche Zahl, die Opposition scha?tzt die Kosten um ein Vielfaches ho?her ein. Davon wurden nach offiziellen Angaben fu?nf Milliarden Euro mit Steuergeld bezahlt. Die Kosten fu?r Infrastruktur-Maßnahmen lagen bei etwa fu?nf Milliarden Euro, dabei sollen bis zu 40 Prozent in „dunkle Kana?le geflossen“ sein.
Allein die Stadion-Sanierungen zur EM 2016 in Frankreich kosteten 1,65 Milliarden Euro, welche Sta?dte wie viel bezahlen mussten, wird wie immer verschwiegen. Im Schnitt mussten die Arenen in Frankreich also fu?r jeweils knapp 150 Millionen Euro nachgeru?stet werden. Die Sicherheitskosten fu?r die verpflichtend einzurichtenden „Fan-Zonen“ beliefen sich auf knapp 25 Millionen Euro. Dabei ist bis heute in Frankreich nicht ganz klar, wer was bezahlen soll.
Genau das droht uns in Deutschland auch, denn fu?r die Kosten des Ganzen will niemand so recht aufkommen.
Die Vertra?ge der UEFA sind ebenso wie die des IOC sehr einseitig: Die Ausrichtersta?dte u?bernehmen das finanzielle Risiko, haben aber im Gegenzug kaum Mitbestimmungsrechte. Alles wird von der UEFA vorgegeben, selbst welches Bier in einen bestimmten Umkreis vom Stadion verkauft und getrunken werden darf. Die Gewinne fließen fast ausschließlich zur UEFA und den Sponsor_innen, die Kosten u?bernehmen die Steuerzahler_innen.
Host – City Vertra?ge und Kommerzielle Zonen; Bruch der Verfassung?
Bei den Mitbestimmungsrechten kommt es zu weiteren Einschnitten fu?r die Ausrichtersta?dte, worauf auch der ehemalige Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann – Riem erst ku?rzlich hinwies. Denn in den sogenannten „kommerziellen Zonen“, die ca. 500 rund um das Stadion gelten, sind auch Demonstrationen oder andere Kundgebungen verboten. „Versammlungen du?rften dann verboten werden, wenn etwa Gewaltta?tigkeiten drohen oder die o?ffentliche Sicherheit gefa?hrdet ist“,, „aber nicht, um kommerzielle Interessen eines Fußballverbandes zu schu?tzen oder unerwu?nschte A?ußerungen zum Sport pauschal zu verhindern“. so Hoffmann-Riem zu Panorama 3.
Des weiteren du?rfen Kneipen in der Na?he zum Stadion, wobei „na?he“ hierbei noch nicht genau definiert ist, keine Leinwa?nde zum Public Viewing aufbauen, schließlich sollen die offiziellen Fanzonen voll werden. Aber auch dies ist ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Rechte der Gewerbetreibenden und verhindert, dass die lokale Hamburger Wirtschaft von der EM- Ausrichtung profitieren kann.
Wie sich herausstellte, war nur Bremen anscheinend dieser Sachverhalt vollkommen klar, sodass auch der Bremer Stadtrat, Ekkehart Siering, sich fu?r eine A?nderung des Vertragstextes einsetzte: „Wirtschaft allein kann keine Gesetze außer Kraft setzen. Wir haben eine Rechtsordnung in Deutschland, an die halten wir uns auch. Wir ko?nnen an der Stelle keine Ausnahme machen, weil es zum Beispiel besonders lukrativ sein ko?nnte. Gesetze gelten fu?r alle.“
Viel Aufwand, kaum Nutzen
Dabei hat die Vergangenheit gezeigt, dass ein Wirtschaftswachstum solchen Spektakeln nicht folgen wird – entgegen der A?ußerungen vieler Politiker_innen. So betrug das auf die WM 2006 in Deutschland zuru?ckzufu?hrende Wirtschaftswachstum nur 0,02 Prozent. Sind es diese 0,02 Prozent Wachstum wirklich wert, wenn man bedenkt, wie viel Geld die Ausrichtung kostet?
Außer Stress, vollen Pla?tzen und viel Polizei und Sicherheitsdiensten werden die Hamburger_innen wenig von der EM und a?hnlichen Groß-Events haben. Die Kosten werden wie immer verschleiert und klein gerechnet, wie viel die Hansestadt am Ende wirklich bezahlen muss, wird unklar sein. Es wird wie immer laufen: Die Kosten werden sozialisiert, die Gewinne privatisiert.
Deshalb werden wir die Vorga?nge rund um die EM 2024 aufmerksam verfolgen und kritisch aufarbeiten. Wir fordern die Vero?ffentlichung der Vertra?ge mit der UEFA und die Mo?glichkeit von Nachregelungen.
Wer soll das bezahlen?
Denn mo?chten wir Hamburger_innen eine vollkommen undurchsichtige EM haben, bei der niemand so recht weiß, wer was und wie viel zahlen muss? Wer soll in welchen Umfang fu?r die no?tigen Sanierungsarbeiten der Stadien aufkommen? Wer bezahlt fu?r die Fan-Zonen und die dadurch entstehenden Sicherheitskosten? Der DFB, die UEFA, der Bund oder doch die Hamburger_innen? Welche Garantien und Pflichten gehen wir als Stadt ein, damit die EM hier ausgetragen wird? Ist es nicht unfair, dass die lokale Hamburger Wirtschaft nicht in dem Maße profitieren kann, wie es eigentlich angebracht wa?re, sondern die Gewinne an internationale Großkonzerne gehen? Und wollen wir in Hamburg eigene UEFA-Schnellgerichte, wie sie die FIFA bei der WM in Brasilien hatte?
Auch alle anderen Ausrichtersta?dte stehen vor diesen und weiteren Fragen: Berlin, Dortmund, Du?sseldorf, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Ko?ln, Leipzig, Mu?nchen und Stuttgart. Wir werden diese unbequemen Fragen o?ffentlich stellen und auf Transparenz pochen.