Neben der Einführung eines Rechtsanspruchs für alle Kinder auf einen Kita-Platz ab dem 2. Lebensjahr im August 2012 und des Rechtsanspruchs ab dem 1. Lebensjahr ab August 2013, tragen zu dem hohen Fachkräftebedarf das Kita plus Programm, das ab Januar 2013 startet und der bereits laufende Ausbau der Ganztagsschulen (GBS) bei. Der Fachkräftebedarf in anderen Bereichen der sozialen Arbeit, insbesondere bei den Hilfen zur Erziehung, ist dabei nicht berücksichtigt.
Die Bertelsmann-Stiftung hat Hamburg im „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2012“ im Vergleich zu anderen Bundesländern einen geringen Bedarf an zusätzlichen Fachkräften bescheinigt, sie hat aber den Ausbau der Ganztagsbetreuung (GBS) und das Kita plus Programm bei ihren Berechnungen nicht mit einbezogen. Die Bertelsmann Stiftung geht von 11.000 Beschäftigten, einschließlich Leitungspersonal, in Kindertageseinrichtungen aus. Die Steigerungsrate von 2006 bis 2011 beim Fachkräftebedarf wird mit 33,1% angegeben, 2006 waren es 8.300 Beschäftigte. Unverändert hoch ist laut Bertelsmann mit 65,3% der Anteil der Teilzeitbeschäftigten.
Der künftige Arbeitskräftemangel in der Kindertagesbetreuung setzt sich folgendermaßen zusammen:
Das Programm Kita plus hat einen Arbeitskräftebedarf von 401 Vollzeitstellen. Mit dem Programm soll ab Januar 2013 die Personalausstattung für Kinder in „Sozialen Brennpunkten“, den KESS 1 und 2 Gebieten, um 24 % verbessert werden. Der Personalschlüssel wird auf maximal 19 Kinder pro Fachkraft gesenkt, der Hamburger Senat will 12 Mio. Euro dafür ausgeben. Dieses Programm wird ausdrücklich von der Fraktion begrüßt.
Die Einführung eines Rechtsanspruchs für alle Kinder auf einen Kita-Platz ab dem 2. Lebensjahr im August 2012 und des Rechtsanspruchs ab dem 1. Lebensjahr ab August 2013, erfordert abhängig von der Wahrnehmung dieses Anspruchs zusätzliches Personal. Es werden, bei einem Personalschlüssel von ca. eins zu sieben, insgesamt rund fünf Arbeitsstunden pro Kind zur Verfügung gestellt. Bei zusätzlichen 3500 Kindern in den drei Jahren wären 454 Vollzeitstellen (38,5 Stunden) erforderlich, bei 5000 zusätzlichen Kindern wären es schon 650 Vollzeitstellen. In den letzten Jahren sind ohne Rechtsanspruch bereits mehr als 1000 Kinder pro Jahr hinzugekommen.
Im Rahmen der bereits laufenden Einrichtung von Ganztagsschulen (GBS) entstehen in KESS 1- und 2-Gebieten nach Senatsangaben Betreuungsplätze mit einem Betreuungsschlüssel von 1:15,6 und in den übrigen Gebieten (KESS 3 – 6) Plätze mit einem Schlüssel von 1:18,5. Entscheidend ist auch hier die zu erwartende Betreuungsquote: Der Senat geht von 89572 Schülerinnen und Schülern in den Klassen 1-6 und von 59546 Kinder den Klassen 1-4 aus (Große Anfrage, Drs. 20/2501). Die Behörde rechnet mit einer Betreuungsquote von 50%. Die derzeitige Betreuungsquote in den Horten liegt bei rund 30%. Bei den schon laufenden GBS-Schulen werden laut Senatsangaben bis jetzt im Durchschnitt 40% erreicht. Bei einer Quote von 50%, die der Senat selber erwartet, ergeben sich auf der Grundlage der Schülerzahlen der Klassen 1 – 6 rund 1150 Vollzeitstellen. Wenn man von einer niedrigen Betreuungsquoten bei den älteren Schulkindern ausgeht, erscheint ein Bedarf von fast 1000 zusätzlichen Vollzeitstellen realistisch.
Die im Rahmen der bundesweiten Fachkräfteoffensive angekündigten zusätzlichen 100 Umschüler für Hamburg, sind angesichts des hohen Fachkräftebedarfs ein Tropfen auf den heißen Stein. Die höheren Ausbildungszahlen wirken erst mittelfristig. Die gegenwärtig neu auf den Arbeitsmarkt kommenden Fachschülerinnen lösen das Problem nicht, weil auf Grund der Altersstruktur der Beschäftigten damit im Wesentlichen nur der Ersatzbedarf für ausscheidende Fachkräfte gedeckt wird. Die Ausbildungskapazitäten in Hamburg sind ausgeschöpft. Um die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen muss in den Schulneubau und zusätzliche Ausbilder investiert werden. Auch muss der Beruf so attraktiv gestaltet werden, dass sich mehr Jugendliche mit einer Ausbildung sich für diesen Beruf entscheiden. Um den Fachkräftemangel schnell zu verringern, bietet sich vor allem an, Teilzeitbeschäftigung durch Vollzeitbeschäftigung zu ersetzen.
Tim Golke, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, erklärt: „Der hohe Fachkräftebedarf zeigt eindeutig, dass der Beruf attraktiver werden muss. DIE LINKE fordert bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung für ErzieherInnen. Der im Frühjahr vereinbarte Tarifabschluss muss auch in Hamburg gelten. Der Senat muss diesen Tarifabschluss refinanzieren, um die Abwandernung von Beschäftigten in die angrenzenden Bundesländer zu verhindern. Bei besseren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten können wieder mehr Menschen und auch Männer für den Beruf gewonnen werden. Gegenwärtig wird meistens nur zuverdient oder alleinerziehende Frauen leben am Rande der Armut, im schlechteren Fall stocken sie ihre Einkommen mit Harzt IV auf.“
Mehmet Yildiz, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, erklärt dazu: „Der Fachkräftemangel stellt eine ernsthafte Bedrohung für den Kita-Ausbau dar. Der Hamburger Senat muss sich um diese Frage kümmern, statt sie klein zu reden. Die Nichtbesetzung von Stellen bei den GBS-Standorten ist ein Warnsignal. Der Einsatz von Berufsfremden oder schlecht ausgebildeten Fachkräften und Leiharbeitern ist den Eltern und ihren Kindern nicht zuzumuten. Die Qualität der Kindertagesbetreuung darf nicht gesenkt werden“.