Das Versammlungsrecht darf nicht in Frage gestellt werden – Ein Kommentar zum Rondenbargprozess vor dem Landgericht Hamburg
Bei allen sechs Angeklagten basiert die Anklage im sogenannten Rondenbargprozess, der am Donnerstag vor dem Landgericht Hamburg begann, allein darauf, dass sie an einer Demonstration während des G20 Gipfels teilgenommen haben. Rechtspolitisch ist es ein Skandal, dass die Staatsanwaltschaft versucht, mit solch einem juristischen Manöver eine Kriminalisierung der Angeklagten zu erreichen. Ihnen wird vorgeworfen, sich innerhalb dieser Demonstration aufgehalten zu haben und nicht etwa sich selbst aktiv an Gewalttaten beteiligt zu haben. So wird versucht, eine Art Kollektivbeschuldigung zu konstruieren. Die Behörde spricht dabei der damaligen Versammlung am Rondenbarg, die von der Polizei angegriffen wurde, den Versammlungscharakter ab. Das ist ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit und die Fortsetzung des Versuchs der Aushebelung von Grundrechten, die während des G20 Gipfels stattfand.
Straftaten werden von der Staatsanwaltschaft allen Versammlungsteilnehmer_innen zugerechnet. Unter anderem werden Schwerer Landfriedensbruch, gemeinschaftlich verübte gefährliche Körperverletzung und tätlicher Angriff angeklagt. Der Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), aus dem Jahr 2017 im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung zwischen Hooligans ist weit hergeholt. Der BGH hatte ausdrücklich betont, dass diese Rechtsprechung nicht übertragbar auf Demonstrationen sei, wenn daraus Einzelne Straftaten begehen.
Die Staatsanwaltschaft startet hier einen politischen Versuch, mit Hilfe der Justiz das Demonstrationsrecht anzugreifen und Menschen zukünftig davon abzuschrecken an Versammlungen teilzunehmen. Es lässt sich nicht begründen, die Angeklagten zu verurteilen. Die Rechtsprechung sagt eindeutig, dass es eine Kollektivhaftung bei Demonstrationen nicht geben kann. Eine Straftat muss individuell nachgewiesen werden.
Die Bundesregierung und der Hamburger Senat hatten die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg dazu genutzt ein Manöver der polizeilichen Unterdrückung von Protesten in einer Großstadt mit linker Szene durchzuführen – und darüber hinaus während der Proteste insbesondere durch massive Festnahmen, Menschenrechtsverletzungen in Gefangenensammelstellen und ungerechtfertigte lange Untersuchungshaft von Internationalen Teilnehmer_innen versucht, die linke Szene in Ohnmacht zu versetzen. Zu diesem Manöver gehörte auch die gezielte Eskalation von Protest durch Polizeigewalt unter anderem am Rondenbarg und bei der zentralen Demonstration am Fischmarkt, wo jeweils mehrere Teilnehmer_innen zum Teil schwer verletzt wurden.
Das Versammlungsrecht ist ein hohes gut und muss geschützt werden. Gesellschaftliche Konflikte können nicht durch Repression, Polizeigewalt und politisch motivierte Justiz gelöst werden, sondern durch Dialog, Frieden und soziale Gleichheit. Polizei und Justiz haben die Aufgabe die Grundrechte zu schützen und in Konflikten Lösungen zu finden und nicht demokratisch nicht legitimierte Treffen wie die G20 oder willkürliche Machtausübung mit Gewalt abzuschotten und Kritik und Protest zu Kriminalisieren.