Bundesweit gehen derzeit hunderttausende Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen die menschenverachtenden Pläne und die Politik der Rechtsextremen und der AfD. Das ist gut so. Doch der gesellschaftliche Rechtsruck, den wir seit gut zehn Jahren erleben, wird dadurch nicht aufgehalten werden. Es ist wichtig die Hintergründe der Entwicklung zu betrachten.
Faschismus ist die brutalste Zuspitzung der kapitalistischen Gesellschaftsform
In einer Wirtschaftskrise und vor dem Hintergrund weltweit zunehmender Kriege, an denen auch die Bundesrepublik direkt oder indirekt beteiligt ist, nimmt die Verunsicherung der Menschen zu. Da ist es ein leichtes und immer wieder benutztes Mittel bestimmte, als Feinde deklarierte Gruppen als Sündenbock zu denunzieren. Heute sind es die Geflüchteten und Migrant_innen.
Ein Problem ist, dass die rassistischen Forderungen und Erzählungen der Rechten
seit langer Zeit immer weitreichender auch von anderen Parteien und Akteuren übernommen werden. Angefangen bei der das Boot ist voll Debatte in der Auseinandersetzung um das Asylrecht nach 1989 wandert die gesellschaftliche Mitte auf diese Weise immer weiter nach rechts. Sowohl im gesagten Wort als auch in Form von Gesetzen, die eigentlich verfassungswidrig sind, da sie das Recht auf Asyl aushebeln (zuerst die sogenannte Drittstaatenregelung, dann viele weitere Gesetze die gegen die Würde des Menschen und das Diskriminierungsverbot verstoßen). Die rechtsextremen Anschläge von Mölln, Solingen und Rostock Lichtenhagen sind nur die Spitze des Eisbergs und flankieren tausende von rassistischen Angriffen in den letzten 30 Jahren, die oftmals als nicht politisch motivierte Einzeltaten kaschiert werden.
Spitzenpolitiker_innen von SPD, FDP und Grünen stimmen seitdem immer weitergehend in einen menschenverachtenden Diskurs ein, der Migrant_innen und Geflüchtete als Gefahr für den Wohlstand und als Sündenböcke für die Krisen – und mehr und konsequentere Abschiebungen sowie die militärische Abschottung der Grenzen der EU als einzige Lösungen darstellt.
Die CDU will laut ihrem neuen Grundsatzprogramm das Recht auf Asyl in Deutschland ganz abschaffen. Auf EU-Ebene treibt die Bundesregierung die Demontage des individuellen Rechts auf Asyl, Masseninhaftierungen an den Außengrenzen, die Zusammenarbeit mit Folterregimen und Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete voran. Mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ wurde im Bundestag ein Gesetz beschlossen, das für mehr und brutalere Abschiebungen sorgt und zudem die Kriminalisierung der Seenotrettung von Minderjährigen eröffnet.
Immer mehr Migrant_innen und von Rassismus betroffene Menschen fragen sich, wie lange sie angesichts dieser Politik und der damit verbundenen Stimmung noch in Deutschland leben können und überlegen ernsthaft erneut auszuwandern.
Unter dem Motto vermeintlicher Meinungsfreiheit wird menschenverachtende, rassistische und faschistische Ideologie verbreitet
Wer die Schuld für die Krisen und sozialen Notlagen auf Einwanderung schiebt, statt deren wahre Ursachen zu benennen, wird den Rechtsruck weiter vorantreiben. Es darf nicht sein, dass unter dem Motto vermeintlicher Meinungsfreiheit menschenverachtende, rassistische und faschistische Ideologie verbreitet wird. Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. Die nach dem Treffen Rechtsextremer und Funktionär_innen der AfD in Potsdam öffentlich gewordenen Konzepte zur Remigration sind ein Angriff auf alle Migrant_innen und die Menschen, die sich solidarisch mit ihnen zeigen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.
Das Ausmaß des Problems ist weit größer
Der Bericht über das Treffen in Potsdam zeigt die Vernetzung der rechten Akteure und dass hinter den rechtsextremen und Faschisten auch wieder ein Teil des deutschen Kapitals steht. Wir müssen alles tun, um ein weiteres Erstarken der Faschisten zu verhindern. Sämtliche faschistischen Organisationen und ihre Propaganda müssen politisch bekämpft und auch verboten werden. Ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern hat bereits 2015 davon gesprochen rote, grüne und linke Menschen nach der Machtergreifung an die Wand stellen und erschießen und dann in der Kalkgrube entsorgen zu wollen. Reichsbürger planen den Umsturz und militante Faschisten üben Gewalt und Krieg – und das weltweit. Insgesamt ist die Ideologie und Praxis der rechtsextremen und Faschisten menschenverachtend und ein Angriff auf die Würde aller Menschen. Die rechte Szene ist zwischen parlamentarischer Arbeit, Zentren der Ideologiebildung und militaristischen Gruppen stark vernetzt.
Der Staat im Staate
Auch staatliche Kräfte – insbesondere die Geheimdienste – haben faschistische Netzwerke immer wieder gedeckt und mehr oder weniger direkt mitbefördert – sei es beim Anschlag auf das Oktoberfest oder beim NSU und weiteren militanten rechtsextremen Gruppen.
Bereits beim Aufbau der Organsiation Gehlen als erster Auslandgeheimdienst der Bundesrepublik stand dieser in personeller Kontinuität zu führenden Kräften aus dem Faschismus. Die Organisation entstand Anfang 1946 – aus ihr wurde am 1. April 1956 der Bundesnachrichtendiesnt (BND), den Reinhard Gehlen noch bis 1968 als Präsident leitete. Generalmajor a.D. Reinhard Gehlen, war zu Zeiten des Faschismus unter Hitler Chef der Abteilung Fremde Heere Ost der Wehrmacht. Auch beim Verfassungsschutz wurden nach einer Phase der Kontrolle durch die Alliierten nach dessen Gründung 1950 schrittweise wieder hochrangige NS-Amtsträger in den Verfassungsschutz integriert. 1963 hatten noch 16 Mitarbeiter als ehemalige Mitglieder von Gestapo, SS oder SD gearberitet. Den Alliierten war dies bekannt, es war ihnen im antikommunistischen Kampf des Kalten Krieges aber recht.
Der Fall von Hans Georg Maßen zeigt Beispielhaft wie ein leitender Akteur aus dem Verfassungsschutz nach seiner dortigen Karriere extrem rechte Politik macht.
Wir müssen aus der Geschichte lernen und verhindern, dass die Faschisten mithilfe strukturstarker, finanzkräftiger Netzwerke versuchen erneut die Macht zu ergreifen. Dazu gehört neben klarer Kannte gegen Rechts auf allen Ebenen, auch die rassistische Ideologie von AfD und Co. strikt zurückzuweisen, anstatt sie immer wieder in gemilderter politisch umzusetzen. Friedrich Merz und andere konservative Politiker_innen fischen populistisch am rechten Rand nach Wählern. Dazu gehört dann auch in Hamburg einen Untersuchungsausschuss im Fall des NSU Mordes an Süleyman Tasköprü einzusetzen.
Es ist wichtig auch die Sorgen der Menschen in Anbetracht weltweiter Kriege und der Wirtschaftskrise mit explodierenden Energiepreisen und stetig zunehmender Inflation ernst zu nehmen und Proteste gegen die unsoziale Politik der Ampel im Sinne großer Unternehmen nicht pauschal als rechts zu diffamieren – und sie dadurch letztendlich den Rechten zu überlassen. Die Schuld für die Wirtschaftskrise, hohe Inflation, explodierende Energiepreise und den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge zur Finanzierung von Aufrüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine, darf nicht den Migrant_innen und Geflüchteten in die Schuhe geschoben werden.
Die besten Mittel gegen Faschismus sind eine gute Sozialpolitik, die Überwindung der kolonialistischen Ausbeutung und eine auf Frieden und Respekt basierende Innen- und Außenpolitik
Die Bundesrepublik könnte mit einem guten Beispiel vorangehen und weltweit für den Frieden und eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur auch mit Russland und China im Rahmen einer demokratisierten UN eintreten. Sie könnte darüber hinaus eine faire Handelspolitik betreiben, in deren Rahmen die Volkswirtschaften im globalen Süden gestützt werden, anstatt sie klein zu halten und auszubeuten.
Wir brauchen keine Fachkräfte aus dem Ausland – denn die fehlen dann dort – stattdessen sollte das „Duale Ausbildungssystem“ wieder ausgebaut werden – die Ausbildung sollte auch wieder verstärkt in Betriebe und Berufsschulen, anstatt in Bachelorstudiengänge verlagert werden. Die jetzt hier lebenden Geflüchteten können im Rahmen einer Generalamnesty die Staatsbürgerschaft und ein Arbeitsrecht bekommen. In Zusammenhang mit dem Ausbau der Ausbildungsstrukturen, hätten wir dann den Fachkräftemangel relativ schnell überwunden. Dazu gehört eine konsequente Politik des Klima- und Umweltschutzes, um den Planeten zu retten.
Wenn die Ausbeutung und Unterdrückung des globalen Südens aufhört und die aggressive Kriegs- und Kolonialpolitik, dann wird auch bald ein freiwilliges Hin- und Herreisen oder Wandern Flüchtlingsströme von Menschen, die vor der Zerstörung ihrer Existenz und Lebensgrundlage fliehen, ablösen.
Mehmet Yildiz und Martin Dolzer
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